Wi mia schwäzen

entnommen aus: Chronik Anton Obser

Studien zur Kordeler Mundart

Schon vor Jahren hat der namhafte, 1973 verstorbene Volkskundler unserer Eifellandschaft, Dr. Nikolaus Kyll, Pfarrer von Butzweiler, in einem Vortrag vor dem Landschaftsverband bedeutungsvoll auf das merkliche Schwinden der in den Dörfern der Eifel gesprochenen Dialekte hingewiesen. Es sei dies eine bedauerliche Folgeerscheinung der fortschreitenden Strukturveränderung, die sich mit dem machtvollen Vordringen des technisierten Zeitalters in diesen Landstrich vollziehe. Das Leben und Treiben innerhalb der Dörfer blieb jahrhundertelang auf ein bestimmtes Maß der Bedürfnisse und des Verkehrs untereinander beschränkt. Darüber hinaus waren Begriffsneubildungen und deren sprachliche Fassung kaum nötig. Die heimatliche Muttersprache verband alle zur Zusammengehörigkeit, formierte den Heimatbegriff und strahlte Nestwärme aus. Man wird in unsere veränderte Zeit hinein nützliche Fortschritte natürlich nicht verneinen, doch fehlt es nicht an beachtenswerten Stimmen, die auf die Erhaltung beziehungsweise die Wiederbelebung der in den Dörfern gesprochenen Mundarten drängen. Was die heimatliche Sprache jedem an Wert darstellt, lässt sich eindrucksvoller nicht beschreiben als mit dem Hinweis auf die Gemütsbewegung eines Menschen, der weit draußen in der Fremde zufällig einmal wieder die Laute seiner Muttersprache zu hören bekommt.

Die Kordeler Mundart gehört dem ,,Moselfränkischen Dialekt" an, wie er auch im ganzen Westen unseres Landes gesprochen wird. Ja, die Mundart macht selbst an der Landesgrenze nicht halt, sondern beherrscht darüber hinaus das gesamte Luxemburger Ländchen und wird westlich der Ardennen noch weit im belgischen Raum gesprochen. Die Entstehung dieses ausgedehnten Sprachraumes reicht in die Zeit der Völkerwanderung zurück, als volkreiche Frankenstämme nach der Überwindung des gallo-römischen Widerstandes, vor allem über unsere Gebietsbreiten hin, tief in das kelto-römische Gallien vordrangen. Sie suchten zu neuen Wohnsitzen fruchtbare Landstriche zu gewinnen, und auch in unserer Nähe übte das fruchtbare Kalkland über den westlichen Höhen im ganzen 5. Jahrhundert eine ungemeine Anziehungskraft auf starke Volksgruppen aus. Sie brachten deshalb wenn auch auf gleichen germanischen Wortwurzeln beruhende, so doch schon eigene Sprachnuancen mit. Weiteren Einflüssen war ihre Sprache in den eingenommenen Gebieten ausgesetzt wenn es zu einem friedlichen Nebeneinander mit der verbliebenen Bevölkerung kam. Sie hielt sich dagegen länger ursprünglich, wo die Eingewanderten in eigenen Wohnsitzen dominierten So blieb es nicht aus, dass Sprachelemente in der Sprache des anderen auftauchten, und mancher französische Ortsname verrät noch heute einen germanischen Anklang. Bei den Franken allerdings musste sich negativ die haushohe Überlegenheit der römischen Kultur auf die Sprache auswirken. Besonders in den großen Zentren wie im alten Trier reicherte sich die Frankensprache derart mit lateinischen Lauten an, dass die trierische Mundart heute noch wie südländisch gesprochenes Latein klingt, bei dem der Mund nur spärlich geöffnet wird. So klingt zum Beispiel auf trierisch ,,Gies de mit op de Kockelsbärch Viez dringen?" nicht anders, als wenn man im Süden Horaz zitiert hörte: ,,Vides ut stet nive candidus Soracte."

Unter der gleichen lateinischen Beeinflussung ist aus der Sprache der Kelten und der eingewanderten Franken das heutige ,,Französisch" geworden.

Verdächtig klingt selbst noch in Welschbillig mit seiner reichen römerzeitlichen Vergangenheit das mit seitlich zusammengezogenem Mund dem u sich nähernde o. ,,Et Kand hot Docht kefm Woscht.",,Hau'm d'n Osch." Das Ur-Moselfränkische hat im ganzen Sprachraum im Laufe der langen Zeit abhängig von den individuellen Seins- und Lebensbedingungen jeder Dorfsiedlung, mehr oder weniger auffallende Veränderungen erfahren, die an Abweichungen der Sprechweise zu hören sind. In Speicher dem Fabrikations- und Handelszentrum von Töpfer- und Hausiererwaren geriet ein Schuss „Jenisch“ dazwischen, das Händler-Deutsch. ,,Un du hot'n da Koh un d'n Auda gefrod, un du krut'n en, un du luch'n.“ ,,Schankendanga fir ob Kuressen“ (Knochenköpfe für Kleider). „Säft net esu schwängsich.“ In einer Dorfgruppe, die unter einer gemeinsamen lnteressens-Verwaltung stand, wie etwa die „Fidei“ nordöstlich von Kordel, blieb die Sprache gleichlautend. Der hochdeutschen Sprache war vor vielen Jahren wohl niemand in unseren Dörfern mächtig. Sie hatte Bedeutung als Amtssprache und verbreitete sich in der Schrift, in der Kirche und den Schulen. Während das Hochdeutsch über Tausende Wörter verfügt und sich beliebig erweitern lässt, bleibt der Wortschatz der Plattsprache auf ein Bruchteil dieser Summe beschränkt, sofern nicht hochdeutsche Begriffe und Wörter in die Plattsprache vermehrt hineinwechseln. Manchem Wort drohte dabei die Gefahr, verkauderwelscht zu werden. Das Kind kam bei der Unterhaltung mit 60 bis 80 Wörtern aus. Dem Erwachsenen genügten allenfalls ein paar hundert. Die Plattsprache des Volkes unterscheidet sich vorn Hochdeutschen wesentlich dadurch, dass sie die gemütlichste Redeweise anstrebt und jede Härte dabei vermeidet. In diesem Sinne wandeln sich die stimmhaften zu stimmlosen Lauten und die unbequemen zu bequem zu sprechenden. Damit soll nicht gesagt werden, dass nicht auch Derbes und Hartes ausgedrückt wird, denn in den unteren Gefilden des Volkes ist man den negativen Dingen der Erde vielfach noch recht nah.

In unserem trierischen Land hat die frühe, durch Jahrhunderte dominierende römisch-lateinische Sprachsituation nur wenige keltische Anklänge hinterlassen. Nach allerlei mittelalterlichen Namensvariationen klingt in ,,Kimmlingen" noch vom uralten Hof ein keltischer Klang an. So auch im Ortsnamen ,,Ehrang", von dem man annimmt, dass sich früh fränkische Zuwanderer dort nicht niedergelassen haben. Das enge, tiefe Kylltal zeigt, gegenüber den von alters her bewohnten Hochflächen, das ganze Mittelalter hindurch keinen Besiedlungsanreiz. Nur die frühe Siedlung Kordel im mäßig erweiterten Tal bildet in ihrer Beziehung zur frühen Glashütte der Hochmark eine Ausnahme. Aber selbst erst in unser Jahrhundert hinein werden aus unserem Tal heraus erste Verbindungswege zu den Dörfern auf der Höhe gebaut. So musste sich bei dem abgeschiedenen Innenleben des Dorfes unverfälscht die sprachliche Mundart durch Jahrhunderte erhalten, welche die frühen Vorfahren mitgebracht und gesprochen haben. Des Lesens und Schreibens pflegte keiner kundig zu sein, so dass auch von dieser Seite her keine Verbindung zur hochdeutschen Sprache bestanden hat. Zur Zeil der ausgedehnten Kordeler Steinindustrie konnte man von den zugewanderten Steinhauern vielerlei fremde Laute hören. Doch hat sich die Kordeler Mundart dominierend erhalten, und die Nachkommen der in Kordel seßhaft Gewordenen gingen vollends in der Kordeler Mundart auf Leider aber hat der Zustrom von Fremden und das ganze wirtschaftliche Leben, das heute das Dorf um das Dreifache seiner früheren Ausdehnung vergrößert hat, der heimatlichen Mundart das Dasein erschwert. Das Dorf hat heute eine weite Kommunikationsbreite mit aller Umwelt und Geschehnissen zum Nachteil des eigenen Dialektes. So müssen alte Kordeler Familien mit alten Hausnamen Garanten des Fortbestandes unserer geliebten heimatlichen Muttersprache bleiben, und alle alten Kordeler sollten sich zur Mithilfe verpflichtet fuh1en.